Redebeitrag der Hamburger IPPNW/ICAN-Gruppe
Atomkatastrophen und Super-GAUs, auch wenn sie am anderen Ende der Welt geschehen, betreffen immer uns alle und somit begehen wir heute am 11. März 2021, natürlich in besonderer Solidarität mit den direkt betroffenen Menschen in Japan, diesen traurigen zehnjährigen Jahrestag. Eine Dekade ist Fukushima nun her und bis heute stellen die beschädigten Reaktoren eine erhebliche Gefahr für Umwelt und öffentliche Gesundheit dar, täglich tritt weiterhin Radioaktivität aus. Im Nord-Osten Japans ist das Meer und die Luft verseucht und die Menschen sind weiterhin erhöhten Strahlenwerten ausgesetzt. Es gibt radioaktive hot-spots am Straßenrand, im Reisfeld oder im Sandkasten, kontaminierte Pilze oder Algen, verstrahltes Grundwasser und Rekontaminationen durch Waldbrände oder Überschwemmungen. 200 000 Menschen im Umkreis von 30 km zum havarierten Reaktor mussten damals ihre Wohnungen verlassen und wurden in Behelfsunterkünften untergebracht. Mehr als 50 000 Evakuierte sind bisher noch nicht in ihre Orte zurückgekehrt. Unzählige Familien sind auseinandergerissen worden. Derzeit verlieren die damals Evakuierten jedoch ihre finanzielle Unterstützung und die Bereitstellung von kostenlosen Unterkünften. Die Regierung versucht, sie zu einer Rückkehr in die kontaminierten Gebiete zu zwingen. Dies ist ein Skandal, da die radioaktive Kontamination großer Landflächen gleichzeitig weiterhin ungelöst ist. Zwar hat die japanische Regierung in groß angelegten Arbeiten begonnen Erde abzutragen und Flächen in Dörfern und Städten zu dekontaminieren, doch es gibt bisher keinen Lagerungsort für die hunderttausende Säcke mit radioaktivem Müll, die dabei anfallen. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind hierbei verheerend.
So sind auch die Arbeitsbedingungen scharf zu kritisieren, unter denen das Hauptenergieversorgungsunternehmen TEPCO und seine vielen Unterfirmen die Menschen vor Ort arbeiten lassen, diese sind mit keinen humanen Arbeitsschutzgesetzen vereinbar. Die zulässige Gesamt-Äquivalentdosis wurde zum Beispiel für die Arbeiten in Kernkraftwerken in Japan heraufgesetzt, somit sind die Arbeiter*innen viel zu hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt.
Bisher
wurde in Fukushima seit dem Vorfall aber nur eine einzige Krankheit
wissenschaftlich
und systematisch untersucht: Schilddrüsenkrebs. Dabei zeigte sich,
dass die Zahl der Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern in Fukushima
in den letzten drei Screenings 20-mal höher liegt als es ohne eine
Atomkatastrophe zu erwarten wäre, eine noch höhere Dunkelziffer ist
hierbei leider anzunehmen. Die laufenden Studien sind jedoch
lückenhaft, dieser beunruhigende
Trend der steigenden Zahl an Schilddrüsenkrebsfällen wird leider
nicht vollständig und systematisch weiter verfolgt.
Untersuchungen zu einem erhöhten Vorkommen von weiteren
Krebserkrankungen, die man auch durch die Erfahrung aus anderen
atomaren Katastrophen erwarten kann, sind in dieser Region leider
bisher nicht untersucht worden.
Unabhängige Forschung wurde in
den letzten zehn Jahren zum größten
Teil erfolgreich durch die japanische Atomindustrie und ihrer
Unterstützer*innen unterdrückt, auch internationale Organisationen
wie der
wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen haben diese Chance
leider vertan. Die internationale Macht der Atomindustrie und der
Anhänger*innen dieser verheerenden Technologie scheint noch zu groß
zu sein, um weltweit wirklich ein Umdenken erreichen zu können. Wir
sagen: Die
Menschen in Japan, genauso wie alle Menschen dieser Erde, haben ein
unveräußerliches Recht auf Gesundheit und auf ein Leben in einer
gesunden Umwelt. Die Atomenergie stellt eine ständige Bedrohung
dieser Grundrechte dar. Wir fordern, dass dort, wo es zu einer
eigentlich unbedingt zu vermeidenden atomaren Katastrophe gekommen
ist, unabhängige,
wissenschaftliche Forschung nicht länger unterbunden werden darf,
sondern sie muss im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung effektiv
gefördert werden.
Um Erkrankungen und Leid zu vermeiden
ist aber Prävention der wichtigste Punkt. Wir müssen weg von der
Nutzung atomarer Technologien im zivilen, aber auch im militärischen
Bereich. Wo es weiterhin Atomenergie gibt, da ist auch die
Herstellung, Lagerung und mögliche Nutzung atomarer Waffen nicht
weit und umgekehrt. Ohne die militärische Nutzung von Atomenergie
wären Atomkraftwerke ebenfalls hinfällig. Somit ist es unbedingt
und dringlich erforderlich, sich weltweit auch von der militärischen
Nutzung von Atomwaffen zu verabschieden, um Katastrophen wie
Fukushima langfristig und nachhaltig vorzubeugen. Um dieses zu
erreichen ist seit Anfang dieses Jahres der Atomwaffenverbotsvertrag
in Kraft getreten und wir fordern die Bundesregierung auf, dass auch
Deutschland diesem so schnell es geht beitritt. Um ein für alle Mal
die Gefahren der Nutzung atomarer Energie für die Menschheit zu
bannen und Katastrophen wie die von Fukushima vor zehn Jahren zu
vermeiden.