- Regierung gibt an, die Schließung der Uranfabrik Lingen, die die belgischen Pannenreaktoren mit Uran versorgt, rechtlich prüfen lassen zu wollen
- Gegen die Atomtransporte, die den Betrieb dieser Anlage erst recht möglich machen, wird dagegen nichts unternommen. Ein Urantransport hat den hamburger Hafen am gestrigen Montag verlassen.
- Viel mehr werden die Menschen, die öffentlichkeitswirksam gegen die Transporte vorgehen, kriminalisiert – eine Atomkraftgegnerin steht am heutigen Dienstag in Hamburg vor dem Amtsgericht Hamburg Harburg, Hintergrund ist eine Aktion gegen einen Urantransport im Hamburger Hafen.
Als in den letzten Tagen öffentlich bekannt wurde, dass die belgischen Pannenmeiler Thiange und Doel regelmäßig mit dem Segnen der Bundesregierung mit frischem Brennstoff beliefert werden, war die Empörung groß. Die Bundesregierung erklärte daraufhin nun rechtlich prüfen zu wollen, ob man die Lingener Brennelementefabrik aus der die Brennelemente stammen, schließen kann.
Dies halten viele Atomkraftgegner*innen für Heuchelei. Die Forderung nach der Schließung der Atomfabriken in Gronau und Lingen ist nicht neu. Seitens der Politik wird aber immer nur so getan, als würde man etwas dagegen unternehmen. Passiert ist jedoch bislang überhaupt nichts. Die Länder erklären immer, die Verantwortung liege beim Bund und umgekehrt. Und über die Atomtransporte, die den Betrieb dieser Atomanalgen erst möglich machen, redet niemand. Just am gestrigen abend (Mo. 3.4.2017) startete Beobachter*innen zur Folge der jüngste Uranerzkonzentratzug aus Hamburg. Das Uran stammt aus Namibia, wurde nach Hamburg mit der „Red cedar“ einem Schiff der Hamburger Reederei MACS nach Hamburg transportiert und am Süd-West-Terminal der Umschlagfirma C. Steinweg umgeschlagen. Der mit 8 Urancontainer beladener Zug verließ den Güterbahnhof Hamburg Süd gegen 19 Uhr. Seine Durchfahrt wurde anschließend in der Nacht um 00:15 Uhr in Buchholz beobachtet. Im Schlepptau – damit es bei einem möglichen Unfall erst recht gefährlich wird: Kesselwagen mit brennbarer Flüssigkeit. Der Zug ist nun zur Konversionsanlage nach Narbonne unterwegs – nach der Konversion wird das Uran angereichert – zum Beispiel in Gronau (NRW) und zu Brennelementen gefertigt – zum Beispiel im niedersächsischen Lingen.
UPDATE: Der Zug Uranzug wurde am 5.4. um 4:04 Uhr mit einer Schmutzigen grün/weiße Lok in Köln Gremberghofen beobachtet und anschließen bei seiner Durchfahrt in Nittel bei Trier um 08:40 Uhr fotografiert. Bericht auch hier
Und was unternimmt der Staat gegen diese Transporte, die trotz angeblichem Atomausstieg weiter laufen und den Betrieb von Atomanalgen weltweit – darunter die belgischen Pannenreaktoren – ermöglichen? Nichts! Der Hamburger Senat hat im Koalitionsvertrag stehen, dass er sich bemüht, die Umschlagbetriebe zu einem Verzicht auf Atomtransporte zu bewegen. Aber selbst dieses Versprechen hat er nicht eingehalten! Statt dessen werden die Menschen, die durch öffentlichkeitswirksame Aktionen auf die Atomtransporte aufmerksam machen, kriminalisiert! Der Staat sieht das öffentliche Interesse an der Verfolgung als gegeben an.
Am heutigen Dienstag findet um 11 Uhr vor dem Amtsgericht Hamburg Harburg der Prozess gegen eine Atomkraftgegner*innen statt. Ihr wird die Beteiligung an einer Demonstration gegen einen Uranzug am Güterbahnhof Hamburg Süd im Sommer 2014 vorgeworfen. Sie soll eine Aktivistin, die sich an der Schiene festgekettet hatte, mit Lebensmittel versorgt haben und sich somit der gemeinschaftlichen Störung öffentlichen Betriebe schuldig gemacht haben.
Wir dokumentiere hier die Abfahrt des Uranzuges in Hamburg Süd am gestrigen Tag:
Sowie die Pressemitteilung der Soligruppe zum heutigen Prozess. Und schon mal zum Vormerken: der nächste Prozess gegen eine Atomkraftgegnerin im Zusammenhang mit diesen Atomtransporten findet am 28. Juni 2017 vor dem Amtsgericht Potsdam (weil es um eine Ordnungswidrigkeit geht) statt.
In Hamburg-Harburg steht am 4.April 2017 eine Anti-Atom-Aktivistin vor Gericht. Am 18. August 2014 wurde die Weiterfahrt eines Atomtransportzugs in Hamburg, Veddel, blockiert. Der jetzt betroffenen Aktivistin wird Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe vorgeworfen, was sie durch Versorgung einer angeketteten Person mit Lebensmitteln getan haben soll.
Im Sommer 2014 wurde ein Güterzug mit 50 Containern – beladen mit Uranerzkonzentrat – von Aktivist_innen über mehrere Stunden blockiert. Vor und hinter dem Zug ketteten sich Umweltaktivist_innen an. Einer daneben stehenden Person wird das Essen und Trinken reichen jetzt zum Verhängnis. Die Versorgung einer Angeketteten stellt aus Sicht der Staatsanwaltschat einen Tatbeitrag dar. „Wenn es darum geht politisch unliebsame Menschen zu verfolgen können Staatsanwaltschaft und Gerichte schon mal kreativ werden.“ führt die Angeklagte Irene aus, „Es zeigt sich mal wieder, dass Gericht nur für den Schutz der herrschenden Ordnung da sind und Widerstand dagegen eingeschüchtert werden soll. Das wird bei uns nicht gelingen.“
Hintergrund der Aktion sind die andauernden Atomtransporte durch Hamburg und ein Skandal der sich Tage zuvor ereignete. Über den Umschlag der Uranerzkonzentrat-Container durch die Firma C. Steinweg am Süd-West-Terminal hatte es zuvor Diskussionen gegeben, der Senat verteilte falsche Auskünfte dazu an Bürgerschaft und Öffentlichkeit: Das angelieferte Uran aus Namibia und Kasachstan stand entgegen der Senatsangaben zum Teil einen Monat lang im Hamburger Hafen.
Im Durchschnitt gibt es jeden dritten Tag einen Atomtransport durch die Hansestadt. „Hamburg ist zentrales Drehkreuz der Atomspirale. Ohne Atomtransporte wäre der Betrieb von Atomanlagen unmöglich“, so Simon Lorenzen, ein Beteiligter an der Blockadeaktion. Dass die Atomtechnologie gefährlich und nicht zu kontrollieren ist zeigte nicht nur der Brand des ConRo-Frachters Atlantic Cartier am 1. Mai 2013, sondern auch die jüngst erfolgte Evakuierung einiger Atomanlagen in Deutschland in Folge eines Funkkontaktverlustes zu einem Passagierflugzeug, oder auch die die Entdeckung von Oxidschichten an den Brennstäben im Brokdorfer Atomkraftwerk. „Die Gefahr von Unfällen und der Gefahr von Strahlenfreisetzung sind wir täglich ausgesetzt.“ erklärt Lorenzen und führt weiter aus: „Es wird ohne Rücksicht auf Verluste, auf Kosten der Umwelt und Menschen, weitergemacht.“Prozesstermin: Dienstag, 4. April 2017, 11 Uhr , Amtsgericht Harburg